Euch fällt schon was ein!

Lars Vollmer

Ständig geht es gerade um Sicherheit, das finde ich schon bemerkenswert. Findet ihr nicht auch?

Während ich das denke, sitze ich morgens im unscheinbaren Borbó Café am Hafen in Barcelona und fühle mich sehr sicher. Der Kaffee ist gut – na ja, nicht außergewöhnlich gut, das Croissant ist landestypische trocken. Der stabile Holzstuhl, auf dem ich sitze und der bodenständige Holztisch werden jeden Morgen nach draußen getragen und abends wieder rein. Das Café ist in italienischer Hand, der Cheffe ist in seinen 60ern und singt laut die italienischen Lieder mit, die drinnen laufen, dort wo die Kaffeemaschine steht. Er trägt Maske, aber zumeist recht schludrig, meist ist es nur eine Kinn-Hals-Bedeckung. Die zweite Bedienung ist sorgfältiger damit und wischt auch nach jedem Gast penibelst den Tisch mit Desinfektionsmittel ab. Die Menschen im zur Hälfte belegten Café unterhalten sich angeregt aber nicht zu laut. Das Wort „Covid“ fällt ab und an, scheint aber nicht jedes Gespräch zu beherrschen.

Morgens liegt das Café sehr angenehm im Schatten, deshalb sind die Sonnenschirme geschlossen. Es liegt an einer belebten, von Bäumen gesäumten Straße am Hafen. Menschen gehen vorbei zur Arbeit oder zum Strand. Der Müllwagen entleert die Container, Straßenfeger halten die Straßen sauber. Es ist ruhig. Abgesehen von dem Sportwagen, der gerade mit 80 Sachen und hoher Drehzahl vorbeibrettert. Auf der Straße ist Leben, wenn auch deutlich weniger, als in den Jahren zuvor im Sommer. Im August sind die meisten Einwohner der Stadt traditionell im Urlaub. Dennoch, die meisten, die ich beobachte, sind Einheimische – Touristen meine ich eher selten zu erspähen.

Und das hat ja seinen Grund.

Es gibt eine Verordnung zum Tragen von Masken in der Öffentlichkeit. Anders als z.B. in Deutschland müssen die Masken auch im Freien getragen werden. Daran halten sich so etwa drei Viertel der Menschen. Angesprochen wird aber keiner auf eine fehlende Maske – jedenfalls habe ich es noch nicht erlebt.

Ansonsten ist alles wie immer, nur eben deutlich leerer. Aber auch nicht leergefegt. Überhaupt ist alles wie immer, und gleichzeitig ist doch alles anders.

Ja, ich fühle mich sicher. Einerseits. Aber andererseits lese und höre ich überall, wie sehr wir von der Pandemie bedroht werden und überall sehe ich, welch drastische Maßnahmen deswegen ergriffen wurden. Da das RKI Katalonien gerade wieder zum Risikogebiet erklärt hat, würde ich nach einer Einreise nach Deutschland beispielsweise in Quarantäne müssen. Hm. Irgendwie fühlt es sich komisch an, sicher und unsicher zugleich. Oder ist das die falsche Kategorie?

Objektiv betrachtet leben wir doch EXTREM sicher. Auch mit dem heimtückischen Virus. Das statistische Lebensrisiko scheint durch diese Pandemie in Deutschland derzeit nicht höher zu sein als in anderen Jahren. Außerdem war die Welt im Gegensatz zum Paradies oder zum Himmel schon immer ein relativ unsicherer Ort. Und mit Blick auf die Historie und den Globus wissen wir doch: Der Homo Sapiens in Mitteleuropa im Jahre 2020 lebt so sicher wie kein Artgenosse irgendwo anders oder zu anderen Zeiten.

Dennoch:  Uns geht’s ja nicht nur schlecht

Sicherheit? Lasst uns zunächst mal Unsicherheit und Ungewissheit differenzieren. Unsicher fühle ich mich nämlich gerade überhaupt nicht: Das heißt, ich habe keine Existenzängste. Ich fühle mich nicht unmittelbar von diesem elenden Corona-Virus bedroht, obwohl es mich natürlich wie jeden anderen auch erwischen kann. Und abgesehen davon: Auch geschäftlich habe ich gerade keinen Grund zum Klagen.

Mit dem Unternehmen intrinsify beispielsweise haben wir gerade viel Erfolg. So unterm Strich. Natürlich gibt es Geschäftsbereiche, die es schwer erwischt hat. Unsere virtuellen Future-Leadership-Trainings allerdings, die wir in Reaktion auf die Reaktion der Regierungen auf die Reaktion der Virologen auf die Pandemie gleich im März gestartet hatten, laufen zu unserer großen Überraschung sehr gut. Wir haben die Nachteile und Probleme des Online-Formats schnell in den Griff bekommen und haben uns darauf konzentriert, seine Vorteile auszuspielen und auszubauen. Die Wirkung war sehr gut, das Produkt ist offensichtlich attraktiv. Zum Glück!

Die Kollateralnutzen für mich sind nicht von der Hand zu weisen: Ich muss nicht mehr so viel reisen. Das kommt sowohl der Umwelt wie meinem Lifestyle entgegen, ich kann nämlich mehr in Barcelona sein. Das hilft mir enorm. Andererseits habe ich nun mehr fixe Termine im Kalender, was relativ neu für mich aber wohl doch eher ein Luxusproblem ist. Ich kann eben nicht mehr ganz so oft durch die katalonischen Gassen flanieren und meinen Geist frei treiben lassen. Na, gut. Aber abgesehen davon muss ich zugeben: Nach dem ersten Schock des Lockdowns ist bei mir fast alles nur besser geworden als davor. Ich weiß gar nicht, ob ich mich darüber freuen darf … doch darf ich.

Und auch anderen ging es nicht nur schlecht. Ja, Selbständige, Unternehmer in der freien Wirtschaft und ihre Angestellten haben teilweise heftige Einbußen gehabt, je nach Branche. Ich habe viele verständliche Klagen gehört. Aber dann denke ich an Lehrer und Schüler, die im letzten Jahr viel Zeit für sich hatten, an Bankangestellte und andere vom Staat finanzierte Arbeitsplätze, wo die Arbeit weniger und gleichzeitig das Einkommen eben nicht weniger wurde.

Außerdem haben viele Unternehmen das mit dem Home Office und den Videokonferenzen ebenso gut wie wir hinbekommen. So schnell ein Produkt ins Internet übertragen kann nicht jeder Wirtschaftsteilnehmer bei jedem Produkt. Aber selbstverständlich können das viele.

Je mehr ich weiß …

Warum erzähle ich euch das? Ich will euch einen Einblick in eine individuelle Lage geben, die eben nicht von Unsicherheit geprägt ist.

Nur: Die Ungewissheit hat dennoch zugenommen. Und das ist etwas anderes als Unsicherheit. Die Ungewissheit bezieht sich nicht wie die Unsicherheit auf die Gegenwart, sondern auf die Zukunft: Wird es intrinsify und mich nur etwas später als die anderen erwischen, dafür dann umso vernichtender? Sehen wir gerade nur Vorboten eines totalen Crashs der Wirtschaft und der Finanzwelt, der mich dann um so härter trifft? Kommt doch noch eine zweite Welle und wird sie wie bei der Spanischen Grippe vor hundert Jahren dann noch viel heftiger als die erste Welle? Werde ich dann wieder nicht zwischen Deutschland und Spanien hin- und herreisen können? Werden meine Familie, Freunde und ich doch noch gesundheitlich in Gefahr geraten?

Dabei glaube ich, mit äußerer Instabilität ganz gut umgehen zu können. Ich kann mich gut anpassen und komme flexibel zurecht. Ich denke in wachen Momenten voraus und bereite mich auf schlechte Zeiten vor. Das habe ich vor Wochen ja schonmal hier beschrieben.

Und trotzdem: Ich verspüre zunehmend große Ungewissheit hinsichtlich der politischen Lage und des gesellschaftlichen Friedens. Ich sehe die immer härter ausgetragenen Glaubenskriege. Und auch die wirtschaftlichen Signale sind sehr widersprüchlich. Die Geldmenge wird immer weiter aufgebläht, die Börse explodiert, die riesige Zahl von Kurzarbeitern, die drohende Pleitewelle im Herbst, die prognostizierte Bankenkrise, die drohende Hyperinflation, manche Verbände vermelden schon wieder eine verbesserte Lage, die Regierung erwartet bereits für das nächste Jahr ein starkes Plus, unsere Schlüsselindustrie Automotive droht vollends abzustürzen, dazu Brexit, Handelsstreit mit China, verschlechterte Beziehungen zur USA und grassierender Antiamerikanismus, wachsende Kritik an den Coronamaßnahmen. Steigen die Flugpreise oder fallen sie? Und wie geht es überhaupt mit dem Fußball weiter …? Ja, ich weiß, vieles von dem, was geschrieben und vermeldet wird, entspricht nur einer gefilterten oder hingedrechselten Realität, weil mit jeder Verlautbarung ein manipulatives Motiv des Absenders verknüpft ist. Aber auch das vergrößert ja noch die Ungewissheit.

All das wirkt nicht wie eine einheitliche, berechenbare Lage. Es wirkt wie ein überladener Kahn, dessen Ladung verrutschen und der jeden Moment auf eine Seite kippen und kentern könnte.

Und das entspricht so überhaupt nicht meinen Lebenserfahrungen. Ich vermute, in Kriegszeiten vor 80 Jahren war das anders, aber ich jedenfalls kenne eine solche Ungewissheit nicht.

Klar, ich habe auch früher nie genau gewusst, was die Zukunft genau bringt und habe das auch nie behauptet. Gleichzeitig habe ich auch nie das Gefühl gehabt, vor extremen Umbrüchen zu stehen. Genau das habe ich jetzt. Und es fühlt sich nicht gut an.

Und je mehr der paternalistische Staat und alle seine paternalistischen Institutionen deklamieren, dass alles gut wird und sie für Sicherheit sorgen und sie die Lage für uns im Griff haben, desto größer wird dieses Gefühl der Ungewissheit, denn ich weiß ja ganz genau, dass das gelogen ist, weil niemand diese Lage prinzipiell „im Griff haben“ kann.

So ein grundsätzliches Restvertrauen in unser politisches System habe ich ja durchaus noch, aber wenn ich dann so Sprüche aus dem Wirtschaftsministerium höre, dass keine Arbeitsplätze verloren gingen oder dass die Banken vom Lockdown nicht betroffen seien, dann ist das einfach so dermaßen unlogisch, dass es schmerzt. Wenn wir nicht einen großen Anteil Zombiefirmen hätten, deren Kredite auszufallen drohen, dann hätte die Regierung ja nicht die Insolvenzmeldepflicht bis September ausgesetzt und dann wären auch nicht bestimmte Bilanzierungsregeln der Banken ausgesetzt worden. Selbstverständlich deuten viele Maßnahmen darauf hin, dass etwas mit der Wirtschaft heftig im Argen liegt.

Und selbstverständlich haben wir zwar Grundrechte, zum Beispiel das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, aber jeder konnte sehen, dass im Lockdown manche Versammlungen gezielt unterbunden wurden und andere Versammlungen nicht. Wie ernst werden die Grundrechte dann noch als Abwehrrechte gegen den Staat genommen? Wie leicht kann man sie uns wegnehmen? Wie leicht lassen wir sie uns wegnehmen, wenn wir nur genügend Angst haben?

Außerdem haben wir alle mitbekommen, dass die Regierung zuerst von den Schutzmasken abgeraten hatte und sie für unwirksam erklärt hatte, um dann einige Wochen später eine Maskenpflicht einzuführen, als der Peak der Infektionen bereits vorüber war.

Nun, würde die Regierung all diese Unwuchten, Unplausibilitäten, Einschätzungsfehler, rechtsstaatlichen Probleme und Widersprüche offen zugeben, käme ich damit klar. So aber vergrößert das offizielle Beschwichtigen, das mit der beobachtbaren Realität nicht zusammenpasst, nur meine Ungewissheit.

Und ja, ich erkenne selbstverständlich an, dass sich die Politik im gegenwärtigen Dilemma für Sicherheit entscheidet und gegen Fortschritt und Wirtschaft. Die Politiker wollen ja gewählt werden und die Umfrageergebnisse geben der Kanzlerin recht. Im Klartext: Der Schlüssel, um an der Macht zu bleiben ist das Angebot von Sicherheit. Das ist derzeit das viel wirksamere Produkt als zum Beispiel „Wohlstand für alle“ oder „Freiheit statt Sozialismus“ oder „Make Deutschland Great Again“ … Ich verstehe das.

Aber gerade weil ich eben beide Seiten verstehe, die individuelle, rationale Sicht auf die Wirtschaft und die Freiheitsrechte einerseits und die kollektivistische, emotionale Sicht auf die Sicherheit und die Macht andererseits, finde ich das alles so unglaublich schwierig. Ich kann nicht den Verstand ausschalten und mich emotional der einen Seite hingeben, die mir ein wohligeres Gefühl gibt. Ich habe für mich den Anspruch, Argumente zu finden – und je mehr ich in die virulenten Themen hineinrecherchiere, desto öfter muss ich an die Liedzeile aus „The Heart of the matter“ von Don Henley denken: „The more I know, the less I understand!“

Also, lasst uns doch mal den Mast entern und von oben draufschauen, was da eigentlich gerade passiert. Was ich da erkennen kann: Den krampfhaften Versuch der Steuerung!

Unbekannte Gewässer

Steuerung ist organisationswissenschaftlich gesehen das Zurverfügungstellen von Wissen, wie mit einem Problem umzugehen ist: Tu das und nicht jenes! Weil wir wissen, wie es richtig geht. Das vorhandene Wissen wird in Form von Anweisungen, Regeln, Prozessen, Checklisten, Zielvorgaben, Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen, Subventionen und so weiter zur Verfügung gestellt und so zur Anwendung gebracht.

Das funktioniert hervorragend und effizient, aber nur genau dann, wenn erstens das Problem stillhält, sich also während der Problemlösung nicht überraschend verändert, und wenn zweitens diejenigen, die steuern, mehr wissen als diejenigen, die gesteuert werden. Und damit ist nicht generelles, überblickshaftes, theoretisches Akademikerwissen gemeint, sondern relevantes, konkretes, operatives Problemwissen.

Damit Steuerung zuverlässig funktioniert, braucht es noch etwas: Macht. Präzise: Formale Macht, also ein „Oben“ und ein „Unten“. Ich denke da zum Beispiel an den Kapitän auf einem Schiff, dessen Macht vom Bug bis zum Heck nahezu unbeschränkt ist. Und das ist auch gut so, denn wenn einer weiß, dass dieses besser ist als jenes, dann ist das letzte, was so ein Schiff gebrauchen kann eine Diskussion darüber, was zu tun ist. Der Kapitän muss die Möglichkeit haben, die Diskussion zu unterbinden und anzuweisen, das zu machen, was zu tun ist, denn er weiß ja, was zu tun ist: Toppsegel reffen und zwei Strich Backbord! – Aye, aye, Sir!

Klar, solche Machtstrukturen können missbraucht werden und Inkompetenz auf der höchsten Hierarchiestufe kann zum Tode führen. Ja. Aber abgesehen davon funktioniert das erwiesenermaßen sehr gut. Man muss eben nur darauf achten, dass die Kompetentesten befördert werden.

Die Sachlage bei der gegenwärtigen Krise ist aber eine andere. Es gibt hier viel zu wenig verfügbares, relevantes, praktisches, operatives Problemwissen! Diejenigen, die für sich in Anspruch nehmen zu steuern, verfügen keineswegs über mehr Wissen als diejenigen, die gesteuert werden sollen. Vielmehr, es kann solches Wissen gar nicht geben. Was wir jetzt tun müssen, um das Virus in Schach zu halten oder die Wirtschaft anzukurbeln oder den gesellschaftlichen Frieden zu erhalten, das weiß keiner so genau. Es kursieren allerlei Meinungen und Theorieren – manches eher plausibel, anderes eher unplausibel – aber wirkliches konkretes und abgesichertes Wissen, wie das geht? Ist weit und breit nicht zu bekommen. Das ist niemandem zum Vorwurf zu machen.

Nur: Dann funktioniert Steuerung eben auch nicht. Und zwar überhaupt nicht. Denn das Steuern benötigt notwendigerweise ein Wissensgefälle von oben nach unten. Ist das nicht vorhanden, weil es nicht vorhanden sein kann, oder ist es gar umgekehrt, weil die zu Steuernden im operativen Alltag gelernt haben und etwas besser Bescheid wissen als die Steuernden, dann kollabiert Steuerung.

Und ich meine, dass wir gegenwärtig das zweifelhafte Privileg genießen, einem allgemeinen Kollaps der Steuerung beiwohnen zu dürfen.

Symptomatisch dafür ist beispielsweise: Die Gesteuerten merken, dass die Anweisungen und Gesetze zwar abstrakt gut klingen, dass sie aber nicht helfen das Problem zu lösen. Nicht in dieser konkreten Situation. Sie erzeugen vielmehr Resignation und Ärger.

Die Deutschen rebellieren ihrem Naturell gemäß dann nicht unbedingt offen, aber sie gehen in die innere Emigration oder sie weichen auf die Hinterbühne aus und versuchen, unterm Radar das aus ihrer Sicht Richtige zu tun und die Probleme anders zu lösen. Man sollte sich dann eben nur nicht erwischen lassen.

Insgesamt entstehen immer mehr Situationen, wo die da unten merken, dass die da oben keine Ahnung haben, was bei denen da unten wirklich so läuft, weshalb die da oben hinnehmen müssen, dass die da unten sich immer weniger daran halten, was die da oben von ihnen verlangen. Und so funktioniert das nunmal nicht. Also wird die Machtzentrale immer autoritärer, um sich durchzusetzen. Schuldige werden gesucht und an den Pranger gestellt. Die Zügel werden angezogen.

Das, was ich in meinem letzten Buch Der Führerfluch als Zäunreflex bezeichnet habe, beobachte ich immer häufiger, die Zähne der Schäferhunde werden schärfer, die Zäune höher, damit keiner mehr die kontrollierbare Herde verlassen kann. Und in gleichem Maße wird die Unfähigkeit der Hirten immer offenbarer.

Wenn ihr diese Mechanismen der kollabierenden Steuerung früh bemerken wollt, könnt ihr zum Beispiel darauf achten, wenn das typische Phänomen der Personifizierung von Schuld einsetzt: Es gibt ein Problem in einem System, aber Frau Maier als Vorstand oder Herr Müller als Mitarbeiter oder Frau Kramer als Ministerin oder Herr Schmid als Offizier hat sich nicht an die Regeln gehalten und trägt die Schuld. Der Schuldige wird aus dem Verkehr gezogen und dann wird weitergemacht wie bisher. Das Problem besteht fort.

Genauso wie derzeit die Steuerung von großen Unternehmen nach dem Muster des 20. Jahrhunderts reihenweise kollabiert, kollabiert in der gegenwärtigen historischen Epoche der paternalistische Hirtenstaat. Der Mechanismus ist exakt der gleiche.

Ein Wirtschaftsunternehmen ist zwar etwas anderes als eine Gesellschaft bzw. der Staat. Beide Systeme haben unterschiedliche Zwecke. Bei dem einen System geht es darum, Geld zu verdienen um fortzubestehen, beim anderen System geht es salopp ausgedrückt darum, sich nicht die Schädel einzuschlagen. Es gibt stark unterschiedliche Randbedingungen, Programme und Codes und streng genommen ist das eine ein Subsystem des anderen. Dennoch halten beide den gleichen systemtheoretischen Betrachtungen stand.

Und beide Sorten Systeme steuern im 21. Jahrhundert in unbekannte Gewässer, in denen sich die Kapitäne nicht auskennen. Überhaupt nicht auskennen.

Eine Symbiose

Unter den knapp 100 Millionen Einwohnern Deutschlands, Österreichs und der Schweiz mag es den einen oder anderen verrückten Aluhutträger geben, manche schwimmen mit dem vom öffentlichen Rundfunk verbreiteten Mainstream, andere haben radikalere bis hin zu extremen Meinungen in Einzelfragen. Aber eines steht für mich fest: Alle 100 Millionen haben in Bezug auf die Coronakrise das exakt gleiche Ziel! Jeder will die Bedrohung überstehen. Keiner will sterben oder krank werden, keiner will pleite gehen, keiner will weniger Wohlstand. Das grundsätzliche Ziel eint alle. Aber keiner weiß, wie es geht!

Man kann gut und gerne behaupten, dass es die Einwohner der deutschsprachigen Länder nicht so schlimm erwischt hat wie die Einwohner anderer Länder und Weltgegenden. Wenn es aber kein ausreichendes Wissen gibt, ist der Rückschluss, dass das an unseren guten Maßnahmen, also der guten Steuerung lag, völlig irre. Unbelegbar. Einfach unlogisch.

Man glaubt und man will uns auch verkaufen, dass der Erfolg an der Regierung lag. Aber genauso valide ist die Aussage, dass der Erfolg trotz der Regierung zustande kam. Und ob es überhaupt ein Erfolg ist, wissen wir doch auch noch gar nicht.

Was davon richtig ist? Ich weiß es nicht. Und Ihr wisst es auch nicht. Wir können es nämlich nicht wissen.

Ich weiß, das ist eine extrem freigeistige Sicht. Wenn eine Regierung im Amt ist, muss sie handeln, sonst wird sie vom Hof gejagt. Das heißt auch: Sie darf sich nicht dauerhaft von einem Dutzend Wissenschaftlern beraten lassen, die alle unterschiedlicher Interpretationen der Fakten bereitstellen. Sondern die Regierung wählt sich natürlich einen Wissenschaftler als Verbündeten aus, dem sie vertraut und der das Spiel mit der Öffentlichkeit einigermaßen spielen kann. Das ließ sich in den letzten Monaten gut beobachten.

Zwischen Wissenschaftler und Politiker entsteht dann so eine Art Symbiose wie zwischen Kapitän und Steuermann: Der eine überlebt durch den anderen. Beide einigen sich auf eine politisch wie wissenschaftlich vertretbare und opportune Meinung.

Aber ob das auch die Meinung ist, die zu den Maßnahmen führt, die hilfreich, nützlich und problemlösend sind? So ein renommierter Wissenschaftler hat ja in seinem Fach unglaublich viel Wissen, jedenfalls mehr Wissen als der allergrößte Teil der Bevölkerung. Nur: Das aktuelle praktische Problem können Wissenschaftler genauso wenig lösen wie jeder andere. Also wie man genau in diesem Land zu dieser Jahreszeit mit genau diesen politischen Randbedingungen unter diesen wirtschaftlichen Vorzeichen in dieser psychologischen Lage unter Berücksichtigung der Maßnahmen der anderen Länder und mit dem Ziel, dass die Regierung an der Macht bleibt, Millionen von Menschen steuert, damit möglichst wenige krank werden oder pleite gehen, das weiß kein Mensch. Auch kein Virologe. Und erst recht kein Politiker. Denn darüber gibt’s kein Wissen.

Glücklicherweise behauptet der Virologe ja auch gar nicht, dass er das kann. Aber er spielt das Steuermann-Spiel mit und weiß ganz genau: Viele Leute glauben mir und machen, was ich sage.

Das Volk will regiert werden

Wer also bei alldem nun behauptet, die Regierung hätte uns gut durch die Krise geführt, äußert lediglich seine Meinung, über die Wahrheit weiß er nichts. Dementsprechend gibt es neben den hohen Zustimmungswerten in den Umfragen viele, die skeptisch sind: War das wirklich das richtige, was wir getan haben? Wenn ihr mit Angehörigen von Kranken oder Verstorbenen redet, hört ihr nichts von „gut durch die Krise“. Und wenn ihr mit Unternehmern redet, die pleite gegangen sind, hört ihr das auch nicht. Die Bewertung der Lage ist hoch individuell und divers.

Wenn ich das betrachte, schaffe ich es meistens ganz gut, allen handelnden Personen gute Absichten zu unterstellen und systemische Effekte von Personen getrennt zu halten. Stattdessen schaue ich auf die Phänomene. Und wenn in einem komplexen System die einen die Steuerung positiv beurteilen und die anderen sie skeptisch sehen und der Zusammenhang zwischen Steuerung und Ergebnis verloren geht, dann beginnt der Kollaps der Steuerung.

Es gab da in der Coronakrise einen Punkt, den ich bemerkenswert fand: Nach der Phase im Februar, in der die Regierung in Berlin die Pandemie mehr oder weniger verpennt hatte, begann das Föderalismusprinzip zu greifen: Die Länder übernahmen die Führung und es war klar, dass die Lage in Schleswig Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern völlig anders war als in Bayern und Baden-Württemberg an der Grenze zu Schweiz und Österreich und in der Nähe von Italien.

Da dachte ich: Prima! Eigentlich müsste die Steuerung noch kleinteiliger ablaufen, am besten auf Ebene der Regierungsbezirke oder der Landkreise sowie auf der Ebene der größeren Kommunen, aber okay, immerhin, es wird gottseidank etwas subsidiärer.

Aber leider war dieser kurze Anflug einer der Komplexität angemessenen Reaktion schnell wieder verflogen. Ein lauter Teil der Bevölkerung verlangte Gleichheit und die Regierung in Berlin zog die Zügel an, das zentralistische Prinzip gewann wieder die Oberhand. Zuletzt wurde die zentralistische Machtfülle der Politiker sogar noch demonstrativ symbolisiert, indem sich Frau Merkel wie eine Monarchin in Schloss Herrenchiemsee im Prachtsaal fotografieren ließ. So wird Hierarchie ausgedrückt: Ich, die unumschränkte Herrscherin, regiere gerade zu deinem Wohl, Untertan! – Und glaubt ja nicht, dass das Foto Zufall war. Wir wissen doch mittlerweile, wie sehr die Kanzlerin auf öffentlichkeitswirksame Bilder achtet.

Das letzte halbe Jahr war somit ein Triumph der zentralistischen Staatsmacht. Das widerspricht aber fundamental meinem Erfahrungswissen aus der Wirtschaft, wie komplexe Systeme in komplexen Situationen zu organisieren sind.

Am Anfang, so im März, da waren die Kanzlerin und der Gesundheitsminister und der Innenminister genauso verunsichert wie wir alle. Und ich dachte: Ja! So muss es sein!

Aber jetzt, wo mir alle weismachen wollen, dass sie alles unter Kontrolle haben, vergrößert das mein Gefühl der Ungewissheit. Und je mehr die Regierung so tut als ob, desto schlimmer wird’s.

Ein bohrendes Gefühl

Und jetzt? Jetzt wächst mein unruhiges Gefühl weiter. Denn innerhalb des hierarchischen paternalistischen Systems fällt mir keine Lösung ein. Der Korridor des Möglichen und Erwartbaren ist so breit, dass wir eigentlich ganz Vieles gleichzeitig ausprobieren müssten. Wir müssten unterschiedlichste Ideen fördern. Wir müssten von Region zu Region sehr unterschiedliche Experimente durchführen, um schnell herauszufinden, was funktioniert und was nicht.

Aber ich weiß ja: Das würde die Kompetenzvermutung, die der Regierung zugeschrieben wird, untergraben. Das kann sich die Regierung nicht erlauben, immerhin stehen ja im Herbst 2021 Wahlen an.

Alle Beteiligten müssen das Spiel jetzt weiterspielen: Die Politiker, die Medien, die Experten … Aus Sicht der Regierung wäre es aus taktischen Gründen jetzt sehr logisch, die Krise kommunikativ bis zur Wahl zu verlängern. Und das bedeutet vermutlich: Die Angst regelmäßig schüren und so am Lodern halten, damit man mit sich selbst als denjenigen werben kann, die es hinbekommen.

Nur kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die permanente Angst und die dauerhaften Freiheitseinschränkungen spurlos an uns vorübergehen. Ich vermute, dass sich bis zur Wahl darum die Kluft zwischen Kollektivisten und Individualisten in unserer Gesellschaft weiter vergrößern wird. Schon jetzt spüre ich das. Die einen sagen über die Schutzmaske: Ach, das bisschen Stoff … Die anderen: Der Maulkorb ist das Freiheitsberaubungssymbol! – Beide Seiten übertreiben dabei, aber beide Seiten wähnen sich auf der richtigen, auf der guten Seite.

Dramatischer noch: Manche Wirtschaftszweige werden uns bei anhaltenden Einschränkungen komplett um die Ohren fliegen. In Schulen geht uns dramatisch viel Bildung verloren, weil nur noch ein Rumpfprogramm aufrechterhalten wird. An Universitäten sieht es wohl etwas besser aus. Dennoch: Bildung wird künftig noch mehr als bisher schon außerhalb des staatlichen Bildungssystems vermittelt werden. Und das bedeutet: Die Aufstiegsmöglichkeiten aus bildungsfernen Milieus werden noch geringer.

Im Klartext: Es ist aus meiner Perspektive offensichtlich, dass das zentralistische, paternalistische, verantwortungsentziehende, von der Unmündigkeit der Bürger ausgehende Regierungssystem grundsätzlich nicht mehr funktioniert. Bei der Grundstücksadministration im Katasteramt funktioniert es natürlich weiterhin, bei derart komplexen Aufgaben wie einer Pandemie funktioniert es nicht mehr. Verwalten geht so. Regieren nicht. Die Zeit des Regierens ist vorbei.

Nur leider ist nach meinem Eindruck der Wunsch, regiert zu werden in der Bevölkerung groß. Und hier stehe ich im Abseits. Ich will nämlich nicht regiert werden. Ich möchte lediglich informiert werden bzw. mich frei informieren können, ich möchte geordnete und sauber verwaltete Verhältnisse, ich will faire Rechtsstaatlichkeit, ich will dass das Strafrecht hart aber gerecht durchgesetzt wird und dass der Straßenverkehr maßvoll geregelt wird. Ich lehne den Staat also keineswegs ab. Aber ich will nicht regiert werden! Ich traue es nämlich prinzipiell niemandem mehr zu, so ein riesiges Land in einer derart komplexen Welt zu regieren.

Aber ich werde ständig regiert. Und das stört mich.

Und nicht nur mit Blick auf meinen eigenen Freiheitsdrang: Wenn es nur um mich ginge, wäre es ja nicht so schlimm. Aber ich ahne, dass die Steuerung des Systems Gesellschaft durch die aktuelle Form von Regierung schlimme, dramatische Folgen haben kann. Dass es so durch, mit oder trotz der Regierung wirtschaftlich weiter bergab gehen kann, dass das Bildungsniveau absackt, dass die Meinungen noch unversöhnlicher aufeinanderprallen und die Spaltung der Gesellschaft zunimmt, dass all das passiert, gerade weil wir es mit untauglichen Mitteln verhindern wollen.

Jeder, der mir erzählen will, was in dieser Situation kommen wird, dem glaube ich kein Wort und frage mich eher, was er mit seinen Prognosen bezwecken will.
Ich richte mich in dieser bohrenden Ungewissheit ein. Ich bereite mich auch auf einen schlechten Ausgang vor. Und ich versuche mich geistig fit und informiert zu halten, um möglichst viele der parallel ablaufenden Entwicklungen wahrzunehmen.

Innerlich allerdings fühle ich derzeit im Kontrast zu alldem irgendwie ein hohes Grundvertrauen zu mir selbst. Mir wird schon was einfallen! Und ich habe Menschen um mich herum, denen ich vertraue und denen schon was einfallen wird.

Und ihr so?


Die nächste Ausgabe von »Vollmers Waschtag« erscheint schon sehr bald. Wenn Sie über das Erscheinen informiert werden möchten, so melden Sie sich bitte hier unten mit Ihrer E-Mail Adresse zu der Benachrichtigungsliste an – Sie erhalten dann bei jeder Ausgabe einen kurzen Hinweis.

MIR IST GRAD‘ SO
Eine Anstiftung, Wirtschaft und Gesellschaft vorwärts zu denken.
Alle Kolumnen und Ausgaben von Vollmers Waschtag, direkt in Ihr Postfach.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

  • Claus Meyer
    6. August 2020 at 17:15

    Geld geht auch anders und Menschsein vielleicht auch
    Versetzen wir uns einmal in die Lage, unter einem von der heutigen Zeit abweichenden Geldsystem zu leben. Das soll hier einmal durchgespielt werden, weil allseits die Menschheit mit viel Geld glaubt, den alten Zustand wieder zu erreichen. Nicht eine andere Idee wird verfolgt. Da ist die Zeit gekommen, mit einem Überdenken des heutigen Miteinander zu beginnen. Da müssen die so krassen Mängel erkannt und beseitigt werden. Hier soll mit Geldsystem begonnen werden, damit endlich dem Geld eine untergeordnete Rolle zugewiesen wird.
    Geld sollte nach der Art der „MODERN MONETARY THEORY“ (in Kürze MMT) gewonnen und kontrolliert werden. Eine vom Volk gewählte Institution wird dann beauftragt, die gesamte Geldmenge zu erzeugen und zu verwalten. Das Geld ist nicht mit Zinsen behaftet und braucht auch zurück gezahlt werden. An wen sollte es auch, der Staat kann ja schlecht dieses Geld an sich selbst zurück zahlen. Das allein wäre ein riesiger Fortschritt, bisher wird das Geldes als Kredit gewonnen und muss mit Zinsen zurück gezahlt werden. Es wurde anscheinend nie darüber nachgedacht, gerade mit Geld besonders umzugehen. Wichtige Aufgaben können danach nur begonnen werden, wenn Geld dafür vorhanden ist.
    Es gibt eine zweite ganz wichtige Verbesserung. Steuern haben allein die Aufgabe, die gesamte Geldmenge um diesen Betrag zu reduzieren. So lässt sich mit Steuern die gesamte Geldmenge steuern. Es lassen sich so die möglichen Verschwendungen verhindern, die gerade die Natur und das Klima so schädigen. Mit Steuern lässt sich außerdem der Geldbesitz begrenzen, der sich als Reserve auf Banken befindet. Gespartes Geld reduziert die Menge im Geldkreislauf. Welch ein Vorteil, wenn Steuern wirklich steuern und somit die Regierung nicht mehr von eingehenden Steuern abhängig ist.
    Das funktioniert natürlich nur, wenn jeder Staat für seine Währung verantwortlich zeichnet. Es funktioniert auch nur, wenn die verantwortlichen Geldhüter sinnvoll damit umgehen. Um das zu verbessern, muss endlich die DIREKTE DEMOKRATIE eingeführt werden. Allein die Mehrzahl eines Volkes, also nicht mehr wie heute das Geld, sollte bestimmen, wohin die Reise geht. Wenn dann Unredlichkeiten bei der Geldverwaltung auftreten sollten, dann hätte das ganze Volk nicht aufgepasst und wäre somit selbst dafür verantwortlich. So zeigt sich darin der nächste Fortschritt, alle haben sich zu kümmern. Alle gewählten Volksvertreter gehören keiner Partei an und sind immer nur ihrem eigenen Gewissen verantwortlich. Zusammen mit der MMT und der direkten Demokratie kann dieses so andere Denken in Geldangelegenheiten funktionieren. Die heutige parlamentarische Demokratie war schon immer von den Geldgebern abhängig.
    Durch das BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN (BGE) wird das Denken in Geld extrem verändert. Es wäre das erste Mal in der Weltgeschichte, dass solche Menschen in echter Freiheit leben können. Welche Auswirkungen das allein psychisch hat, ist heute wohl nicht überschaubar. Welch eine Freiheit, wenn jeder selbst bestimmen kann, welche Arbeit er gerne leisten möchte. Da jede Arbeit dann steuerfrei geleistet wird, nimmt sicher selbständiges Arbeiten extrem zu. Der Einwand, dass prekäre Arbeiten dann nicht mehr ausgeführt werden, es würde alle treffen, daher sollten gerade solche Arbeiten bestens entlohnt.
    Die Wirtschaft kann dann mit ganz anderen Augen gesehen werden. Nicht die Steigerung des Umsatzes, nicht das Brutto-Inlands-Produkt ist von Interesse, nicht eine Konkurrenz muss ausgeschaltet werden, es geht allein um die Versorgung aller mit dem Notwendigen. Jede Aktion zur Verbesserung des Klimas sollte gefeiert werden. Zu vermeiden sind große Geldansammlung, viel Geld in einer Hand war schon immer gefährlich. Alle Firmen sollten Genossenschaften werden und alle Mitarbeiter auch Miteigentümer. Welch ein Arbeitsklima, wenn alle Verträge auf Augenhöhe stattfinden. Auch hier bestimmt dann eine demokratische Entscheidung über jeden Fortgang. Aktiengesellschaften und die Börse sind abgeschafft, es darf mit Geld kein Geld gemacht werden. So sind auch Konkurse ausgeschlossen, das BGE schafft ja immer die Grundversorgung der Arbeitnehmer. Und alle dann ungenutzten Geräte und Maschinen verlieren durch Stillstand doch nicht ihren Wert. Da statt Konkurrenz Kooperation vor herrscht, geht es immer um eine gemeinsame Lösung von Problemen.
    Die Familienbande haben heute ziemlich gelitten, Kinder kommen in den Kindergarten, die Alten ins Altersheim, alles nur um mehr Geld zu machen. Welch ein Fortschritt, wenn die Alten nicht nutzlos dem Ende entgegen sehen, sondern hilfreich bei der Betreuung und Bildung der Kinder sein können. Das verbessert das soziale Klima, denn heute sind Kinder doch zu früh auf sich allein gestellt, die Unterordnung muss doch auch gelernt werden. Die heute oft auftretende Verwahrlosung ist sonst das Ergebnis. Weitere Vorteile ergeben sich für Großfamilien, wenn beim gemeinschaftliches Wohnen Verbindungswege auf Null schrumpfen. Die gegenseitige Pflege und Fürsorge ist dann kostenlos und gleichzeitig viel persönlicher. Der Ahnenkult, der heute völlig in Vergessenheit geraten ist, wird wieder gepflegt. Die Nutzung von Wohnraum und Mobiliar muss nicht dauernd durch Neues ersetzt werden. Bei der Ausbildung müssen Kenntnisse von Geld- und Sozialsystemen auf jeden Fall behandelt werden, damit solche Auswirkungen wie heute bei der Ausbeutung von Mensch und Natur, hervorgerufen durch das Geldsystem, nie wieder auftreten.
    Ob es wohl so schwer sein wird, sich das alles vorzustellen. Endlich steht die Familie wieder im Vordergrund. Endlich lassen sich Natur und Menschheit wieder unter einen Hut bringen.
    Es gibt viel zu tun, es ist zu hoffen, dass Pessimisten nicht die Oberhand behalten. Es wäre schade, wenn die Menschheit noch länger unter dem heutigen Geldsystem zu leiden hätte.

  • Armin Seil
    6. August 2020 at 21:01

    Lieber Lars Vollmer,

    sie treffen den Nagel auf den Kopf!

    Es geht leider wie so oft in Wirtschaft und Gesellschaft NICHT um Lösungen und Optimierungen,
    sondern um Macht, Rechthaberei und Kontrollzwang

  • Martin Bartonitz
    6. August 2020 at 22:57

    Lieber Lars,

    Deine Beobachtungen kann ich vollumfänglich für mich bestätigen. Was den Mut für die Zukunft angeht, so ist mir meine Frau weit voraus: Und selbst wenn alles zusammen bricht, es wird immer einen Weg geben, damit zu leben. Sie ist Kinderkrankenschwester und weiß um den Unsinn von Masken in Laienhand und lehnt diese Maßnahme ab. Zumal auch sie auf die Statistiken noch hinweist, dass bei keiner der Maßnahmen irgendein Knick zu erkennen sei.
    Nein, auch wir haben weniger Angst um das Virus. Nach allem, was uns die Sterberaten in Deutschland, Österreich und Schweiz sagen, sieht das nicht anders aus, als jedes Jahr, sogar besser noch als vor zwei Jahren, als die Grippewelle tüchtig abgeräumt hat. Haben wir aber gar nicht wahrgenommen.
    Und ja, ich sehe auch den Graben zwischen Jenen wachsen, die aufgrund der Horrormeldungen vor Lauter Angst sich den König wünschen, dass er sie in Sicherheit in die Zeit der rettenden Impfung führen möge, koste es was es ihre Freiheit wollen, und Jenen anderen, die eher die andere Angst umtreibt, dass ihnen die genommene Freiheit nie wieder zurückgegeben wird. Und die aber auch sehen, dass die Kollateralschäden der Maßnahmen am Ende viel höher liegen werden als das Virus es ohne Maßnahmen getan hat. Zumal die Erfahrungen der Schweden bestätigen, dass es auch besonnener gehen kann.
    Und da sehen wir auch Deinen Punkt bestätigt, was bei Diversität passiert. Es gibt unterschiedliche Ergebnisse des Tuns, wodurch wir uns neu ausrichten können.
    Ja, so mag ich auch nicht mehr regiert werden. Und ich hätte mir nicht vorstellen können, einmal zu sagen: „Ich kann mir immer besser vorstellen, wie die Menschen 1933 ins Schlamassel gerutscht sind. Da gab es warnende Stimmen, aber wer hat schon auf sie gehört? Den Menschen ging es schlecht, und da schein ein neuer König zu erwachsen, der sie wieder in eine schönere, sicherere Zeit führen konnte.“
    Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise gehen wird. Zur Verstärkung der Paternalismus, oder doch hin zur Verteilung der Macht in die kleineren Zellen, dort wo Mensch wohnt und sich auskennt …
    Zuträglicher finde auch ich das Letztere.
    Martin

  • Wilfried Stoll
    6. August 2020 at 23:04

    Lieber Herr Vollmer! Danke für Ihre ausdrückliche Skepsis gegenüber Allen, die vorgeben, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben.
    Auch Ihren Wunsch, nicht regiert zu werden, teile ich sehr. Die Ansätze von Herrn Meyer teile ich an vielen Stellen ebenso und habe doch die Ahnung, dass das vielen Menschen zu radikal vorkommen könnte und daher ad hoc Ablehnung erfahren wird.

    Ich bin sicher, dass Formen der Eigenverantwortung im unmittelbaren sozialen und wirtschaftlichen Kontext meines jeweiligen Lebens- und Arbeitsraumes stattfinden müssen. Und das ‚Stattfinden‘ verlangt Ausprobieren, Einüben, sich Trauen, Fehler machen dürfen und den / die Anderen mit Ihren fehlerbehafteten Versuchen ausnahmsweise mal nicht zu bashen, sondern zu unterstützen und gemeinsam daran zu arbeiten, z.B. Kinderbetreuung in Corona-Zeiten stadtteilbezogen einmal selber zu organisieren.

    Ich hoffe, dass Ihre Impulse dazu beitragen, da und dort die notwendige Bewegung in die starren Systeme zu bringen. Es wird Zeit!

    herzliche Grüße
    W. Stoll

  • Sabine Klimek
    7. August 2020 at 10:53

    Lieber Lars,
    Sie sprechen mir so was von aus der Seele! Auch wenn der Blick auf die Zukunft nichts Gutes erahnen lässt, haben Sie mir mit Ihren Zeilen Mut gemacht, denn endlich habe ich das Gefühl, nicht allein zu sein!

    Herzliche Grüße von
    Sabine Klimek

  • Sylvia von Froreich
    7. August 2020 at 12:53

    Lieber Lars,
    sehr herzlichen Dank für deinen gewohnt hochreflektierten Kommentar. Ich pflichte Dir in allen Punkten bei. Was mich besonders schmerzt ist, dass das mechanistische Welt- und Menschenbild sein Comeback feiert, na gut – weg war’s sowieso nicht. Und damit der Glaube an einseitige Macht und Kontrolle. Zirkularität und Selbstverantwortung existiert in diesen Gedankenwelten nicht. Das besorgt mich. Aber wie du sagst, machen wir das Beste draus.
    In diesem Sinne, liebe Grüße aus Berlin, Sylvia

Ihr Warenkorb
245 Shares
Share
Tweet
Share
Email