Innovation statt Ideologie

Lars Vollmer

Die Debatte um Diesefahrverbote wird derzeit in aller Härte geführt. Und zwar in aller ideologischen Härte. Und genau damit werden wir unseren Planeten sicher nicht retten können. Aber was dann?

Ich musste zu dieser Frage mal an die frische Luft und laut denken, schauen Sie hier:

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  • Frank Pöhlmann
    25. Februar 2019 at 16:50

    Sehr geehrter Herr Professor Vollmer,

    ich bin über eine Leseprobe Ihres neuen Buches auf Sie aufmerksam geworden und habe mir deshalb einige Ihrer Artikel und Statements auf Ihr Homepage angesehen. Ich gehe mit einigen davon durchaus konform und gerade Ihre Überlegungen zum Diesel haben mir grundsätzlich aus der Seele gesprochen. Ich würde mich freuen, wenn meine eilig formulierten Gedanken in diesem Kommentar zu einer Diskussion mit Ihnen führen.
    Ich unterstütze Ihre Ansicht vollauf, dass ein paar in Deutschland weniger gefahrene Dieselkilometer, die Welt nicht retten werden. Genauso wenig wie die Umstellung auf Elektromobilität. Wir leben jedoch – glücklicherweise – in einem Land, dessen Bevölkerungsmehrheit die Spitze der maslowschen Bedürfnispyramide erreicht hat. In dieser kollektiven Selbstverwirklichungsphase werden die bis dato zurückgelegten, bzw. in den heutigen Generationen gar nicht erst durchlebten Basisstufen, wie die Notwendigkeit der Absicherung von Grund- und Existenzbedürfnissen, mit der Aufrechterhaltung von Konsumfähigkeit gleichgesetzt. Heute ist es in Deutschland einfach unvorstellbar – im wahrsten Sinn des Wortes – nicht zu wissen, wie und wann man wieder etwas Nahrung bekommen wird. Oder dass es notwendig sein kann, nachts Wache zu halten, um den nächsten Morgen zu erleben. In der allgemeinen Selbstverwirklichungseuphorie werden wichtige Themen wie Ökologie, Lebensqualität oder Gesundheit zur persönlichen Religion erklärt und entsprechend ideologisch diskutiert – obwohl diskutiert im Fall von Ideologie das falsche Wort ist.
    Anstelle von Problemanalyse und zielgerichteter Lösungssuche finden sich Placebo-Handlungen, Aktionismus, Opportunitätsentscheidungen und Stellvertreterdiskussionen.
    Das Schlimme an Ideologien ist ja, dass sie ein gehöriges Maß an Missionierungseifer hervorrufen, die Offenheit für andere Ansichten und Argumente jedoch massiv reduzieren.
    Im Fall der Diesel- oder ganz allgemein der Mobilitätsdiskussion zeigt sich das besonders deutlich. Wie Sie ja richtig angemerkt haben, ist es mehr als klar und naheliegend, dass die Insel Deutschland, selbst bei einem kompletten Verzicht auf fossilen Brennstoff, den Klimawandel nicht stoppen wird. Genauso offensichtlich ist, dass bereits das bestens erschlossene Deutschland ein Problem damit hat, für Alternativen, speziell die Elektro-Mobilität, die erforderliche Infrastruktur kurz- oder mittelfristig bereit zu stellen. Selbst wenn man nun unterstellt, dass Deutschland mit seiner aktuellen Dieseldebatte zumindest beispielgebend auf andere Länder wirken könnte, wären viele davon auf absehbare Zeit überhaupt nicht in der Lage auf andere Technologien umzustellen.
    Aber es unterstützt uns bei unserem Streben nach Selbstverwirklichung, dieser Ideologie nachzuhängen. Und weil das so ist, blenden wir auch nur zu gerne und konsequent aus, dass z.B. die Förderung des für die Akkutechnologie benötigten Lithiums ein ökologisches Desaster ist und bereits heute, bei einem überschaubaren Anteil an Elektrofahrzeugen, ganze Landstriche verheert werden, um das Lithium zu gewinnen. Es passiert ja – den diversen Göttern sei gedankt – nicht hier in Deutschland sondern irgendwo in Südamerika oder sonst wo….egal.

    Die Lösung unserer globalen Probleme ist doch eigentlich ganz einfach:
    1. Demut
    Das persönliche und das nationale Wohl müssen sich einem globalen Wohl unterordnen. Nur gemeinsam wird die Menschheit das Ruder herum reißen können. Dazu ist es erforderlich, zu akzeptieren, dass die willkürliche Grenzziehung durch Menschen auf diesem Planeten keinerlei Bedeutung hat. Oder hat der Meteor etwa auf das Revier des großen T-Rex Rücksicht genommen, als er damals das Dinosauriersterben verursacht hat? Man muss auch akzeptieren, dass der Ort der Geburt und die Umstände und Rahmenbedingungen unter denen man zum Menschen heran reifen kann, eine Verkettung von vielen zufälligen Faktoren und nicht ein gottgefügtes Privileg ist.
    2. Verzicht
    Aus dieser Demut heraus muss dann eine Bereitschaft zum Verzicht entstehen. Der Verzicht auf Konsum über den Grund- und Existenzbedürfnissen hinaus, Verzicht auf Aspekte der persönlichen Freiheit, wie sie z.B durch die Mobiliät ermöglicht wurde, aber auch der Verzicht auf Selbstverwirklichung, da alle diese Bedürfnisse nur zu Lasten anderer befriedigt werden können.

    Also wird sich – fürchte ich – nichts ändern.

    Wir sind meines Erachtens gar nicht in der Lage das zu ändern. Das liegt nicht in der Natur unserer Spezies. Nein, stattdessen haben wir über Jahrtausende stetiges (wirtschaftliches) Wachstum als Heilsbringer der vielen gesellschaftlichen Ökosysteme identifiziert, egal ob Industrie oder Religion. Demzufolge gibt es mittlerweile viel zu viele Individuen und Gruppierungen, die ein ureigenes Interesse daran haben, dass sich am Wachstum nichts ändert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Auswirkungen unseres Handelns für den Einzelnen viel zu unmerklich und nur langfristig spürbar werden. Wenn ein Vorstandschef entscheiden müsste, den allerletzten Baum auf Erden zu fällen, würde er es sich wahrscheinlich anders überlegen. Wenn ein junges Ehepaar bereits wüsste, dass das Kind, das sie planen, drei Wochen nach der Geburt an Unterernährung sterben muss, würden sie es wahrscheinlich gar nicht erst zeugen.
    Wir rauschen aber lieber sehenden Auges in den Untergang, halb hoffend, halb wissend, dass es zu unseren Zeiten oder denen unserer Kinder noch nicht so schlimm werden wird und bauen mehr Autos, verkaufen mehr Handys, produzieren mehr Müll….Und was danach kommt? Kann uns ja egal sein.

    Aber für unser Seelenheil werden wir dabei weiterhin Feigenblätter sammeln und mit dem Elektro-Rad zur Arbeit fahren und am Abend vegane Teewurst essen. Hauptsache wir können uns nachts im Spiegel anschauen und als Mantra runterbeten: „An mir liegt‘s schließlich nicht….!“

    • Lars Vollmer
      26. Februar 2019 at 13:21

      Lieber Herr Pöhlmann,

      ich danke Ihnen für Ihr leidenschaftliches Plädoyer. Ihre Argumentation kann ich zumeist gut nachvollziehen, nur will ich noch nicht so recht in den Fatalismus mit einstimmen. Halten Sie mich für jugendlich optimistisch, aber ich denke schon, dass wir als Gesellschaft handlungsfähig sind, gerade das hat mich ja dazu bewogen, mein neues Buch zu schreiben. Appelle an die Kultur oder an die Individuen werden verpuffen, wir müssen statt dessen unser gesellschaftliches System anpassen. Lassen Sie uns dazu Ideen finden…

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