Mach dir kein Bild!
„Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist!“ – So steht es im Buch Exodus in der Bibel, ganz präzise gesagt in der Lutherbibel bei 2. Mose 20:4.
Natürlich haben Sie von diesem sogenannten Bilderverbot schon mal gehört, ob Sie nun bibelfest sind oder nicht. Es ist ja wie alles in der Bibel erstmal ein alter Hut. Neueste Ereignisse in unserer merkwürdigen Gesellschaft haben mich aber wieder veranlasst, über dieses Stück Kulturgut nochmal nachzu-denken. Und ich finde: Mein lieber Scholli, das ist ja hochaktuell!
It’s the influence, stupid!
Diverse Deutungsversuche kursieren über das Bilderverbot. Unbestritten ist heute unter Bibelforschern, dass das mosaische Bilderverbot zunächst erstmal taktischer Natur war: Die Frühform des Judentums konnte sich damit als Hirtenreligion sauber abgrenzen gegenüber der Bauernreligion in Kanaan, wo das Anbeten von Bildnissen der Gottheiten üblich war. In Marketingdeutsch ausgedrückt: Das Bilderverbot war ein Alleinstellungsmerkmal.
Aber das hatte schwerwiegende Auswirkungen. Sigmund Freud schrieb eine kluge Analyse über die Bedeutung des Verbots, sich ein Bildnis von Gott zu machen:
„Denn es bedeutete eine Zurücksetzung der sinnlichen Wahrnehmung gegen eine abstrakt zu nennende Vorstellung, einen Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, streng genommen einen Triebverzicht mit seinen psychologisch notwendigen Folgen.“
Einfach gesagt: Wer keine Bilder und Statuen von Gott anbeten kann, der muss seinen Kopf einschalten und sich geistig anstrengen. Er muss sich abstrakte Gedanken machen, statt nur konkrete Rituale abzuhalten.
Und dieser Triumph des Geistes war nicht weniger als der Startpunkt einer neuen Epoche in der Menschheit, ein Samenkorn auch des Christentums und der Hochkultur Europas. Freud fügte hinzu:
„Es war gewiß eine der wichtigsten Etappen auf dem Wege der Menschwerdung.“
Vielleicht ist es aber gerade so, dass wir am Ende dieser europäischen Epoche stehen. Denn das Bilderverbot bröckelt, wir fangen wieder an unser Hirn abzuschalten, das abstrakte Denken einzustellen und uns neue Bilder und Götzen zu malen und anzubeten. Wir nennen das heute: „Vorbilder“.
Mit einer neuen Welle der Vorbilder erleben wir derzeit eine Rückkehr des Religiösen unter dem Deckmantel des Guten. Das damit unterkomplex personifiziert wird, damit auch der letzte Depp kapiert, was er gefälligst tun oder lassen soll. Mich schmerzt dieser zivilisatorische Rückschritt so sehr, dass ich uns allen diesbezüglich hiermit den Kopf waschen möchte.
Das Mädchen aus Schweden
Fangen wir mit Greta an. Also mit Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg, 16 Jahre alt, Beruf: Vorbild. Oder ganz frisch getextet: Influencerin. Derzeit ist sie sicherlich eine der einflussreichsten Teenagerinnen der Welt.
Nach den Sommerferien 2018 begann sie ihren freitäglichen Schulstreik fürs Klima. Sie ist der Meinung, dass ihr Klimaaktivismus wichtiger sei, als Freitags in die Schule zu gehen, denn sie fragt sich, was für einen Sinn es haben solle, in der Schule für die Zukunft zu lernen, wenn diese Zukunft schon bald nicht mehr existiere.
Da ist sie, die Apokalypse! Für Greta geht gerade die Welt unter. Sie glaubt fest daran, ja, sie hat Panik davor, wie sie sagt, und aus dieser Perspektive kann man ihre Radikalität auch erst verstehen: Sie wolle, sagte sie eindringlich, dass wir alle, also auch Sie und ich, die gleiche Panik spüren, wie sie jeden Tag.
Ihr Alarmismus wirkte, ihr Schulstreik jeden Freitag steckte an. Im Januar 2019 sprach sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, was ihr den medialen Durchbruch brachte, am Freitag, den 15. März 2019 streikten in verschiedenen Städten weltweit bereits 1,4 Millionen Schülerinnen und Schüler.
Meine Tochter war auch dabei.
Sie geht immer wieder hin. Auf der einen Seite sind die Schulstreiks natürlich ein wahnsinnig interessantes Happening. Nicht zuletzt werden hier ja Regeln der Erwachsenen (Schulpflicht …) gebrochen und die Kids erleben, wie die Erwachsenen dagegen machtlos sind. Bei den Jugendlichen triggert das den altersgemäßen Antrieb zur Rebellion. Des Weiteren macht selbstverständlich auch das Gruppenerlebnis Spaß. Aber außerdem setzen sich viele Jugendliche intensiv mit den Inhalten und Forderungen auseinander, um die es bei diesen Demonstrationen geht. Das mag nicht für alle Teilnehmer gelten, aber bei meiner Tochter weiß ich es recht sicher, nämlich aus Gesprächen, die wir darüber geführt haben.
Die Schüler diskutieren nicht wie die „Profis“, womit FDP-Chef Christian Lindner beileibe nicht die Politiker meinte, sondern die Wissenschaftler. Aber sie diskutieren.
Meine Tochter erzählte mir mal ausführlich, wie auf einer der Demos ein Erwachsener umherlief und Papiere mit Statistiken und Hinweisen auf Studien austeilte. Er sprach die Jugendlichen an und war der Meinung, dass gar keine Klimakatastrophe bevorstünde und dass das mit dem CO2 alles gar nicht stimme. Meine Tochter schaute sich das Papier an, fand die angegebenen Quellen teils aber so unglaubwürdig, dass sie sich damit nicht weiter auseinandersetzen wollte.
Für eine 14-Jährige finde ich das gar nicht schlecht, denn sie fragte sich ja sofort, welche Absicht hinter den ausgeteilten Informationen stand, und befand, dass man sie nicht unabhängig davon lesen dürfe.
Und das gilt natürlich für alle Seiten. Auch die These von der Klimakatastrophe und die Forderungen der Greta-Jünger sieht sie differenziert. Beispielsweise findet sie, dass das sofortige Abschalten der Kernkraftwerke gar keine so gute Idee ist. Jedenfalls ist sie da unsicher und mag die vorherrschende Meinung nicht einfach so übernehmen. Sie hat keine fertige Meinung, aber sie mag eben auch keine fertige Meinung adoptieren und sieht ein, dass die Sache komplex ist. Sie setzt sich insgesamt wesentlich differenzierter mit alldem auseinander, als ich es im Alter von 18 Jahren getan habe. Und das sage ich nicht ohne Stolz, Sie werden es mir nachsehen.
Viele andere Kids tun das ebenso. Sie diskutieren kontrovers darüber, was getan werden müsste. Was ich rausgehört habe: Die Meinungen bei diesen Freitagsdemonstrationen gehen unter den Schülern sehr weit auseinander. Viel weiter, als man es von außen sieht. Es gibt eigentlich nur einen gemeinsamen Nenner unter allen Demonstranten: Unser Planet ist uns wichtig. Dieser Gedanke eint alle. Das war’s dann aber schon.
Der gemeinsame Nenner ist so klein, dass praktisch alle Menschen in zivilisierten Nationen dem zustimmen würden.
Bewegungen passieren eben
Das ist, was ich sehen kann, wenn ich in die Bewegung hineinschaue, die dem Vorbild Greta folgt. Wenn ich außen um die Bewegung herumschaue, sehe ich wesentlich undifferenzierteres Geschwätz: zum Beispiel über die wahren Hintermänner von Greta.
Liebe Leute, es gibt keine Strippenzieher bei solchen Massenphänomenen! Soziologische Massenphänomene entstehen autopoetisch, aus sich selbst heraus. Was sie kommunizieren, gleicht Projektionen von Gedankenfetzen der Massen. Sie entstehen aus dem Nichts durch zirkuläre Erregung. Alle Seiten missverstehen das. Und das grundlegende Missverständnis besteht darin, dass die meisten Menschen glauben, wo ein Muster oder gar Ordnung entstünde, müsste es eine absichtsvoll gestaltende Hand geben.
Sie glauben, dass die zweite große ökologische Welle, die wir gerade erleben, von irgendjemandem „gewollt“ und „gemacht“ sein muss. Aber sowohl die einen, die hinter dieser Ökowelle Profiteure vermuten, dunkle Gestalten, die diese Massenbewegung bewusst geschaffen haben sollen, um ihre ideologischen Interessen durchzusetzen und gesellschaftliche Veränderungen zu initiieren, als auch die anderen, die versuchen sekundär aus dem Phänomen Kapital zu schlagen, indem sie ihre Sicht der Dinge in die Bewegung hineininterpretieren − beide Gruppen von Trittbrettfahrern liegen falsch.
Und jetzt geht es gar nicht darum, wer Recht und wer Unrecht hat. Ob das Klima in Gefahr ist oder nicht, ob man demonstrieren sollte oder nicht, ob man Klimaleugner oder Klimajünger ist – das ist hier nicht mein Thema.
Nicht nur Politiker und Ideologen, auch die Medien agitieren mit. In alle Richtungen. Und das kann man ihnen vorwerfen. In alle Richtungen. Man könnte ihnen auch vorwerfen, dass sie nicht genügend agitieren. In jedem Fall mischen sie mit. Und in den sozialen Medien gibt so gut wie jeder früher oder später eine Stellungnahme zu Greta Thunberg ab, lässt sich also dazu hinreißen, Position für oder gegen das Mädchen aus Schweden zu beziehen.
Aber bei alldem sollten wir doch erstmal erkennen, dass diese Vorbilder, die Bewegungen anführen, einfach nur ein typisches soziologisches Phänomen sind. Das Bild, das wir von Greta haben, ist ein Konstrukt, eine „Persona“, ein Gleichnis, ein Götze. Greta kann nicht entscheiden, welches Bild von ihr konstruiert wird. Es passiert einfach.
Und dieses Bild hat wenig bis nichts mit ihr zu tun. Jeder hat ein Bild von Greta im Kopf. Aber wie Greta wirklich ist, weiß quasi niemand. Sie ist das, was die Individuen ihr zuschreiben. Die Bewertung, ob das gut oder schlecht ist, das interessiert nur die Individuen, die auf Greta schauen. Und dann gibt es Individuen, die auf die Individuen schauen, die auf Greta schauen. Viele sehen dabei etwas Positives: Kinder, die sich engagieren. Wie schön. Und andere sehen etwas Negatives: Da werden Kinder für einen Kinderkreuzzug missbraucht, um ideologische Interessen zu befördern. Aber das alles sind immer nur Zuschreibungen, die das jeweilige Individuum macht. Es ist nicht die Wahrheit selbst.
Die Individuen sehen von außen einen Sinn darin. Das soziale System „Fridays for Future“ hat aber selbst keinen inneren Sinn. Es ist in hohem Maße Zufall, was Menschenmassen in Bewegung setzt und was nicht. Es kann ein einziger Social-Media-Post sein, der anschlussfähig ist und viral geht. Der dadurch eine zirkuläre Erregung (ein wiederholtes Dankeschön für diesen großartigen Begriff, lieber Peter Kruse) in Gang setzt, die weitere Erregungsstufen anschiebt, bis eine Bewegung daraus geworden ist. Das Ganze ist ein Phänomen, das nur die Chaostheorie beschreiben oder die Systemtheorie erklären kann.
Ob so etwas entsteht, hat keiner im Griff. Ob nun Greta Thunberg die vom Zufall Auserwählte ist oder Ariana Grande oder Taylor Swift oder Anna Müller, ob es um Klimaaktivismus geht oder um irgendein anderes gerade relevantes Thema, das ist vorher einfach nicht zu ermitteln. Die Sache ist kontingent.
Natürlich kann man so eine laufende Bewegung medial unterstützen und befördern, da helfen sicherlich Kampagnen. Aber ob die das Massenphänomen erzeugen, hat niemand im Griff.
Zehntausende Videos werden jede Woche von Marketingagenturen produziert und auf die Reise durchs Internet geschickt. Alle haben das gleiche Ziel: Sie sollen viral gehen. Aber nur eines von tausend oder wohl eher nur eines von zehntausend geht wirklich viral. Und welches, das ist vorher nicht bekannt.
Willenlos
Um das Phänomen zu verstehen, muss man gedanklich die Kommunikation von den Menschen trennen. Das ist anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit etwas Übung geht es eigentlich ganz einfach. Menschen schließen sich nicht Menschen an, sondern Kommunikation schließt sich aneinander an. Das, was viral geht, ist Kommunikation. Sie setzt sich fort, zieht neue Kommunikation nach sich und so weiter. Was groß wird, ist Kommunikation. Eine bestimmte Form kristallisiert sich heraus, ein bestimmtes Interferenzmuster, ein anschlussfähiger Slogan oder ein Wort oder ein Bild oder ein Move. Was aber die Menschen sekundär darin sehen und hineininterpretieren, ist ganz etwas anderes.
Die Jugendlichen der Friday-for-Future-Demos sehen, dass ein paar Kids mit ihren Transparenten in den Nachrichten auftauchen. Sie registrieren, welcher Spruch es geschafft hat, medial transportiert zu werden, groß rauszukommen. Dem wollen sie nacheifern. Also überlegen sie sich einen neuen, ähnlich provokanten, ähnlich witzigen Spruch oder Slogan, auf dass sie es schaffen aufzufallen. Das wiederum sehen andere und lassen sich davon beeinflussen. Und so weiter. Was Kommunikation sucht, ist Anschlussfähigkeit, um fortzuexistieren. Und was sich an Kommunikation anschließt, ist Kommunikation. Dabei geht es also gar nicht um eine bestimmte Meinung, die dahintersteht.
Was daraus in einer Massenbewegung entsteht, ist leider meistens ziemlich blöd. Die Individuen sind intelligent und sie haben differenzierte Meinungen. Aber wenn man von außen auf die Masse draufschaut, erkennt man meistens nur platteste Trivialitäten, weitab von irgendwelchen Lösungen für irgendwelche gesellschaftlichen Phänomene.
Nochmal: Die Individuen sind intelligent. Die Massenkommunikation sieht dumm aus. Und je größer die Gruppe, desto stärker der Effekt. – Das ist das Problem von Massenbewegungen. Fritz B. Simon sagte dazu den schönen Claim: „Gemeinsam sind wir blöd!“
Bei den Gelbwesten in Frankreich kann man die Massendummheit schön beobachten. Oder in Katalonien, vor meiner Haustür, dort habe ich das selbst gesehen: 400.000 Menschen marschieren. Das einzige, was diese dumme Masse aus intelligenten Menschen herausbekommt, ist: „Weg von Spanien!“ oder „In Spanien bleiben!“. – Mehr geht einfach nicht.
Ob so etwas dann friedlich bleibt oder eskaliert, hat ebenfalls niemand im Griff. Auch die Beteiligten nicht. Einer glaubt, das Auto des Finanzministers zu sehen, und tritt gegen den Reifen. Ein anderer sieht das, diese Art der Kommunikation ist anschlussfähig, und er tritt stärker gegen das Auto. Ein Dritter macht mit, ein Vierter auch und ehe man sich’s versieht, ist ein wütender Mob dabei, ein Auto komplett zu zerlegen. Dieser Ausbruch von Gewalt ist einfach so entstanden, aus sich heraus. Es schaukelt sich hoch.
Oder es läuft anders und keiner tut irgendwas und die ganze Veranstaltung verläuft friedlich. Ich habe auch das schon gesehen: 6000 Jugendliche haben friedlich demonstriert. Hinterher war der Platz wie gefegt: Nicht ein Kaugummipapier war auf dem Boden zu finden. Natürlich waren da auch Kids darunter, die ansonsten gern mal Müll auf die Straße werfen. Aber bei dieser Demo haben sie es nicht getan. Und wohlgemerkt: Nicht die Kinder haben sich „gut“ verhalten, sondern die Masse – das soziale System hat ein schlichtes Verhalten erzeugt, das man von außen als positiv interpretieren kann. Oder eben negativ.
Also: Massen haben keinen „Willen“. Nur Individuen haben das. Massen sind aber nicht die Summe von Individuen, die die gleiche Meinung haben. Massen wollen nichts!
Ja, Individuen wollen etwas. Nur wissen wir nicht, was die Individuen, die mitlaufen, wollen. Wir lernen darüber nichts aus dem Massenphänomen.
Und darum möchte ich hier mal eine glasklare Botschaft formulieren. Sie richtet sich an alle Journalisten und alle Politiker, die über diese Fridays-for-Future-Bewegung reden oder schreiben: Eure Kommentare, „die Kinder“ wollten dies oder jenes, sind keine wahren Aussagen! Niemals. Denn ihr könnt überhaupt nicht wissen und prinzipiell nicht formulieren, was „die Kinder“ wollen. Sie wollen nämlich gar nicht alle das Gleiche!
Hört einfach auf, den Kindern einen bestimmten Willen zu unterstellen! Hört auf, daraus abzuleiten, wohin unsere Kinder die Zukunft lenken wollen! Hört auf, daraus zu folgern, welche Maßnahmen richtig wären für unseren Planeten!
In einem Wort: Hört auf, die Kinder für eure Ideologie zu instrumentalisieren!
Ob Begrenzung von Flugreisen oder Schließen von Kohlekraftwerken oder Atomkraftwerken oder das Gegenteil. All das interpretiert ihr da nur rein. Schiebt das nicht den Kindern unter!
Und um als Vater zu sprechen: Hört gefälligst auf, eure Ideen meiner Tochter unterzujubeln!
Was wissen Sie schon?!
Und an die Profiteure von der anderen Seite gerichtet: Eure Verschwörungstheorien, dass Greta Thunberg und die mit ihr demonstrierenden Kinder nur Marionetten seien irgendwelcher dunkler Mächte, die den Globalismus vorantreiben und die Nationen vernichten wollen, oder was ihr sonst so zusammenphantasiert: Ihr habt nichts begriffen! Ihr habt keine Ahnung, wie Massenbewegungen funktionieren.
Das platte Streben nach Vorbildern ist genauso wie das platte Kritisieren von Vorbildern eine Strategie, die komplexen Sachlagen zu personalisieren und damit zu trivialisieren.
Darum: Hört einfach auf mit Sprüchen wie „die Kinder wollen …“ oder „die Rechten wollen …“ oder „die Ossis wollen …“ oder „die Gelbwesten wollen …“ oder „ die Katalanen wollen …“ oder „die Muslime wollen …“!
Und wenn das nächste Mal ein Journalist oder Politiker glaubt zu wissen, was „die Wähler“, „die Deutschen“ oder „die Amerikaner“ oder „die Russen“ wollen, oder wenn ein Marketingfuzzi oder CEO darüber faselt, was „die Kunden“ oder „die Mitarbeiter“ wollen, dann sagt ihm doch mal laut und deutlich: He, Sie Trittbrettfahrer, Sie haben keine Ahnung, was diese Menschen wollen!
Und Greta Thunberg? Es kann sein, dass Greta für irgendetwas Leitfigur bleibt. Vielleicht wird sie Politikerin oder Forscherin. Vielleicht ist sie in zehn Jahren medial komplett in der Versenkung verschwunden – die Wahrscheinlichkeit ist vermutlich groß, dass es so kommt. Aber das alles sagt rein gar nichts über sie aus und hat rein gar nichts mit ihr zu tun!
Und übrigens: Einfach bei Fridays-for-Future mitzulaufen, weil alle mitlaufen, ist schlichtweg verantwortungslos! Aber einfach zu Hause zu bleiben, weil die Kumpels das doof finden, ist auch verantwortungslos.
Viele Eltern verbieten ihren Kindern hinzugehen. Dafür kann es tausend Gründe geben. Nicht nur ideologische. Aber niemand darf den Kindern, die nicht hingehen, unterstellen, sie wären Klimaleugner. Und genauso darf niemand den Kindern, die hingehen, unterstellen, sie seien deshalb irgendwie „gute“ Kinder. Und niemand sollte Greta Thunberg in irgendeiner Weise glorifizieren.
Du sollst dir kein Bild machen!
Haben wir das jetzt so weit klar?
Lieber Herr Steinmeier
Immer wieder erstaunt mich, wie offensichtlich schmale Ahnung gerade Politiker davon haben, was „die Menschen“ wollen, also das Volk, das sie repräsentieren. Damit rennen die selbsternannten Volksversteher dann immer wieder in Missverständnisse. Wobei „Missverständnisse“ noch nett umschrieben ist. Man könnte auch auf Ignoranz oder Arroganz kommen.
Beim Stichwort Arroganz fallen mir verschiedene Figuren des öffentlichen Lebens ein, aber einer sollte frei davon sein. Eigentlich. Nämlich das Staatsoberhaupt. Wenn einer seinem Volk aufs Maul schauen sollte und wissen sollte, was sich hier unten in den Gassen der sogenannten Lebenswirklichkeit so abspielt, dann sollte das doch der Bundespräsident sein, oder?
Irgendwie habe ich jedenfalls die Illusion, dass das sein Job wäre.
Aber vielleicht täusche ich mich da. Ich werde ihn mal fragen. Unlängst gab es da einen peinlichen Anlass, den ich diesbezüglich gerne mal mit ihm erörtern würde. Ob der hohe Herr Zeit für einen kleinen Untertanen hat?
Ich schreibe ihm am besten einen offenen Brief …
Weiter zu Teil 2:
Offener Brief an Bundespräsident Steinmeier
Die nächste Ausgabe von »Vollmers Waschtag« erscheint spätestens in einem Monat. Wenn Sie über das Erscheinen informiert werden möchten, so melden Sie sich bitte hier unten mit Ihrer E-Mail Adresse zu der Benachrichtigungsliste an – Sie erhalten dann bei jeder Ausgabe einen kurzen Hinweis.
Dr. Jens Dören
5. April 2019 at 11:20Lieber Herr Vollmer,
für mich zeigen die Friday-for-Future Demos und insbesondere der Umgang damit auch wieder die typischen Hirten Syndrome, die aber in meinen Augen ausnahmslos „dumm“ und vor allem wirkungslos sind.
Es wird von Politikern, Medien etc. über die Einhaltung der Schulpflicht diskutiert, gedroht, gemahnt oder durch die Jugendlichen wie Sie beschreiben instrumentalisiert.
Aber leider habe ich bislang keinen Ansatz gesehen, die Ideen, Gedanken und vor allem die Energie dieser „ausgebrochenen Schafe“ sinnvoll zu kanalisieren und für die Gesellschaft gewinnbringend zu nutzen. Mittel und Wege dazu gäbe es bestimmt viele – man müsste die Beteiligten vielleicht einfach mal fragen und selber kreativ werden…
Vielen Dank für Ihre Denkanregungen,
Ihr Jens Dören
Karl Leinstein
6. April 2019 at 09:50Hallo, der Kommentar beschreibt es messerscharf und ganz genau. Es bleibt zu hoffen, dass
diesen „Waschtag“ möglichst viele lesen und auch versuchen zu verstehen. Man könnte dann eventuell mit weniger Aufgeregtheit mit den Demonstrationen umgehen. Jedenfalls stimmt die
Tatsache, dass wir eben nur einen Planeten haben und es würde sich lohnen, wenn möglichst viele darüber nachdenken und auch darüber diskutieren.
Interessant auch das Phänomen der „Gelbwesten“ . Haben die eigentlich einen „Anführer, ein Götzenbild oder gar einen Hirten“ im Hintergrund ? Meine Beobachtung ist, dass die sehr selbstorganisiert unterwegs sind. Aber vielleicht habe ich ja was verpasst.
Jedenfalls wieder ein erbaulicher Waschtag von Dir !
Viele Grüsse aus Wien, Karl
Jürn Schmidt
7. April 2019 at 10:07Lieber Herr Vollmer,
herzlichen Dank für diese wie immer mit treffsicherer Wortwahl und überzeugender Analyse durchgeführte „Waschung“ ! – Eine erbauliche Lektüre zum Sonntagmorgen, welche mich nunmehr bei einem ausführlichen Gang mit meinem Hund zum nachdenken inspiriert..
Es ist wünschenswert, dass möglichst viele Menschen – insbesondere die besonders motivierten Lautsprecher – diese Ausführungen ebenfalls zur erbaulichen Reflexion nutzen würden..
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen angenehmen Sonntag und freue mich schon sehr auf Ihre wertschätzenden Zeilen an Herrn Steinmeier,
Ihr
Jürn Schmidt
Sibylle Virbom
12. April 2019 at 12:41Es war zwar ein langer Waschtag aber er war erfolgreich – jedenfalls bei mir und ich freue mich schon auf den zweiten Teil! Beim Lesen hat sich für mich eine Fragestellung gebildet. Wenn nur das Individuum einen konkreten Willen hat, der durch die „Schwarmdummheit“ der Masse begleitet und dadurch viral geht, bedeutet das, daß Solidargemeinschaften keine „Macht“ haben wirklich etwas zu ändern?
Christian Lange
17. April 2019 at 11:27Auch wenn ich Herrn Prof. Vollmer wie so häufig in vielem zustimme dürfte die durch „zirkuläre Erregung“ „autopoetisch“ generierte „Friday for future“ Bewegung inzwischen schon schwer instrumentalisiert werden . Siehe : https://www.tichyseinblick.de/meinungen/fridays-for-future-euch-gehoert-nichts-ihr-gehoert-anderen/
MarcO Mathews
6. März 2020 at 20:15Lieber Lars,
ein weiterer wundervoller Artikel von Dir. Dein Inhalt, Deine Schreibweise und Deine Art mich als Leser mal selbst über etwas nachzudenken um mir meine eigene Meinung zu einem Thema zu bilden, erfreut mich immer wieder.
Ich freue mich auf unser nächstes persönliches Treffen.
Viele Grüsse aus Osnabrück zu Dir nach Barcelona!
Theo Dizee
17. September 2022 at 15:562. Buch Mose, Kapitel 20, Vers 4 lautet:
„Du sollst dir keinen Götzen verfertigen, noch irgend ein Abbild von etwas, was droben im Himmel oder unten auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist.“
Glaube daher felsenfest, dass der Zorn Gottes erst dann aufhört und alles gut werden wird, nachdem man das bärtige Antlitz Gottes auf dem in der Sixtinischen Kapelle – also mitten im Vatican (!) – stolz präsentierten Gemälde “ Die Erschaffung Adams “ von Michelangelo, für immer unkenntlich gemacht hat, auch wenn es sehr schwerfällt . . .
MfG
Theo Dizee
theo.dizee@firemail.de