Komplexität reduzieren – wie Sie garantiert ein Fußballspiel verlieren

Lars Vollmer

Komplexität gilt nach wie vor als großes Schreckgespenst der Wirtschaft. Nachdem schon 2010 in der großen IBM CEO-Studie Komplexität als Problem Nr. 1 herausgearbeitet wurde, lassen sich auch noch 10 Jahre später zahlreiche Kongresse und Aufsätze aufspüren, in denen Satzfragmente auftauchen wie: »…werden wir unsere Komplexität in den nächsten Jahren deutlich senken müssen…« oder »…haben wir einen Plan zur Komplexitäts-Beherrschung aufgestellt…«

Warum die Annahme, man „müsse“ Komplexität senken oder einen Plan zu deren Beherrschung aufstellen Unsinn ist, versuche ich mal wieder mit meiner Lieblingsanalogie zu erklären: Fußball!

Fußball eignet sich aus vielen Gründen für derartige Gleichnisse: die Spielregeln sind leicht zu verstehen – bis auf Abseits. Die moderne Berichterstattung erlaubt eine unglaubliche Übersicht über fast alle Facetten des Spiels. Und alle 2 Jahre – wenn unsere Nationalmannschaft kickt – sind nahezu alle Bundesbürger im kollektiven Fußballrausch. Ein hoch emotionales Thema also – dankbar für den Autor.

Und das Fußballspiel – nicht nur das ganze Business drum herum – ist hochkomplex. Kontingent, unvorhersehbar, voll von Überraschungen, immer subjektiv, zwar beeinflussbar aber nie kontrollierbar oder beherrschbar. Wo sonst kann man den Unterschied zwischen ›Wissen‹ und ›Können‹ so eindrucksvoll und unmittelbar erleben? Und so eignet sich dieser Rasenballsport vortrefflich, um über Strategien zum Umgang mit Komplexität zu sprechen.

Fußball ist damit so ganz anders als eine Maschine. Letztere ist alleine mit ausreichendem Wissen beherrschbar, ihr Verhalten ist kausal, vorhersehbar und für den Experten frei von Überraschungen. Objektiv, eindeutig beschreibbar und voller Wenn-Dann Beziehungen.

Nun machen Analogien ja nur Spaß, wenn sie uns zum Denken anspornen. Daher möchte ich Sie auf eine kleine Expedition einladen – zu einer Denkexpedition quasi.

Kommen Sie mit?

Schön. Freut mich! Rücksäcke auf und los geht’s.

Regeln in Planquadraten

Ich hab es eingangs ja erwähnt: Komplexität ist derzeit in aller Munde. Und nahezu immer wird der Wunsch geäußert, die Komplexität zu reduzieren. Übertragen wir das mal – rein hypothetisch bitte – mit folgender Frage auf die Kickerei: Welche grundsätzlichen Möglichkeiten gäbe es, die Komplexität eines Fußballspiels drastisch zu reduzieren? Oder anders ausgedrückt: wie könnte man ein Fußballspiel zu einem lediglich komplizierten Spiel machen?

Schon ein paar Antworten parat? … »Die Anzahl der Spieler reduzieren!«, denken Sie? Fehlanzeige. Es würde komplex bleiben – so komplex wie beispielsweise Basketball beim fünf gegen fünf oder wie Beachvolleyball beim zwei gegen zwei. »Das Spielfeld verkleinern!« Bedaure, auch das würde kaum etwas ändern, wie uns gute Tischtennismatches eindrucksvoll zeigen. »Spielzeit verkürzen!«, »Ball vergrößern!« Nein, alles keine wirksamen Optionen.

Die wirksamste Möglichkeit, aus einem komplexen Spiel ein kompliziertes Spiel zu machen lautet: Regeln hinzufügen. Möglichst viele Regeln am besten. Wollen wir mal gemeinsam spinnen? Welche Regeln könnte man einer Mannschaft auferlegen? Ich mach mal ein paar Vorschläge und Sie ergänzen unten in den Kommentaren:

  • Wir teilen das Spielfeld in Planquadrate auf, sagen wir mal 714 Stück á 10m² (die FIFA-Norm eines Spielfeldes beträgt 105m x 68m – wieder was gelernt).
  • Jeder Spieler darf nur ganz bestimmte Planquadrate betreten. Toni Kroos als Mittelfeldspieler beispielsweise nur 8 Planquadrate rund um den Mittelkreis.
  • Wenn man den Ball von rechts angespielt bekommt, darf man – solange man im Ballbesitz ist – das links neben einem liegende Planquadrat betreten. Eine Ausnahme besteht, wenn der Ball vom Torwart kommt.
  • Jeder Spieler muss den Ball mindestens 5 Sekunden behalten und darf in der Zeit das Planquadrat, in dem er den Ball erhalten hat, nicht verlassen.
  • Der rechte Mittelfeldspieler darf den Ball nur zum Mittelstürmer oder zurück zum rechten Innenverteidiger passen. Passt er zu einem anderen Spieler, bekommt die gegnerische Mannschaft einen 5-Meter (aus 11 Metern schießt man zu häufig daneben).
  • Jeder Torschuss sowie die Torschussrichtung muss beim Schiedsrichter angemeldet werden. Mindestens 5 Minuten vorher. Der Torwart muss seinerseits vor dem Schuss festlegen, in welche Richtung er sich schmeißen wird.
  • Der am Spielfeldrand stehende Sportdirektor ist nicht nur für die Regeleinhaltung der Mannschaft verantwortlich, sondern er muss zudem alle fünf Minuten, während einer obligatorischen Auszeit, 2 zusätzliche Regeln bei seiner Mannschaft etablieren .

So langsam macht es Spaß, oder? Wir brauchen noch ca. 100 weitere Regeln und schon dürfte die Komplexität weitestgehend aus dem Spiel heraus sein – kaum noch Überraschungen, stark objektivierbar, gut zu beherrschen. Mit zusätzlichen 250 Regeln ließe sich das Spiel dann vielleicht sogar schon automatisieren.

Eine schräge Vorstellung, oder? Und klar ist: dieses langweilige Spiel will sicher keiner mehr sehen.

Feindkontakt

Aber jetzt wird es doch noch spannend: stellen wir uns nun vor, dass nach der Halbzeitpause (falls es die überhaupt noch geben sollte) die gegnerische Mannschaft beginnt, nach und nach die neuen Regeln wieder aufzulösen, ohne Ahndung des vormals Unparteiischen. Zuerst melden die Stürmer ihre Torschüsse nicht mehr an. Dann behalten die Spieler den Ball nicht mehr 5 Sekunden am Fuß, sondern passen sofort weiter. Und schließlich löst der Gegner den Zwang auf, sich innerhalb der Planquadrate zu bewegen. Was würde wohl passieren?

Hier ist sicherlich einiges an Reaktionen vorstellbar. Wut, Gezeter und Beschimpfungen wären die ersten emotionalen Reaktionen. Dann würde der Sportdirektor vielleicht den Oberschiedsrichter anrufen. Und was würde auf dem Platz passieren, wie würde Toni Kroos darauf reagieren, dass sich der gegnerische Spieler plötzlich mit dem Ball am Fuß völlig frei um ihn herum bewegen kann?

Hier bin ich mir bei der Antwort recht sicher: er würde seinerseits beginnen, die Regeln zu missachten. Er würde bemerken, wann es für das Spiel und für das Ergebnis seiner Mannschaft wichtig wäre, kurzzeitig aus dem Regelwerk auszuscheren. Vielleicht würde er nur mal kurz die Grenzlinie ›seines‹ Planquadrates mit einem Fuß verlassen – allein schon aus dem Ehrgeiz heraus, selbst nicht als Verlierer dazustehen. Und womöglich würden es ihm andere Spieler nach und nach gleichtun. Was jetzt?

Darf das so sein? Wie würden Sie darauf reagieren? Wie reagiert denn unser fiktiver Sportdirekter auf die Situation? Wenn der Sportdirektor dem Glaubenssatz verfallen wäre, dass nur eine niedrige Komplexität zum Spielerfolg führt und er gedanklich nur über das Instrumentarium des modernen Managements verfügt, müsste er zunächst mit einer Purpose-Initiative, dann mit mit wertschätzenden Gesprächen, später mit professionell begleiteten Coachings und schließlich mit Sanktionen reagieren.

Ich meine damit nicht gleich den Aufbau eines stromführenden Zaunes um die Planquadrate herum. Aber der Sportdirektor würde dann vermutlich Manuel Neuer – als Kapitän der Mannschaft – auffordern, in jeder Auszeit einen Bericht vorzulegen, wie häufig sich ein Spieler außerhalb seines Bereiches aufgehalten hat. Am besten mit einer Ampelgrafik dazu.

Falls sich die Überschreitungen häufen, könnte der Kapitän auch für jeden Mannschaftsteil (Abwehr, Mittelfeld, Angriff) einen Gruppenleiter bestimmen, der die Regeleinhaltung direkt auf dem Platz kontrolliert. Oder es könnten individuelle Anreize geschaffen werden. Dazu würde der Sportdirektor im Vorfeld natürlich mit jedem Spieler ein individuelles Zielgespräch führen und den jeweiligen Beitrag zum Gesamtergebnis definieren…und so weiter. Ist nachvollziehbar, oder?

Von Neuer zu Ashby

Glückwunsch, nun haben wir uns mit unserer Expedition schon ziemlich weit vorgekämpft. Aber wie finden wir jetzt wieder zurück? Vielleicht nimmt uns William Ross Ashby ein kurzes Stück an die Hand und zeigt uns einen Weg. Der Amerikaner Ashby war wohl einer der bedeutendsten Kybernetiker. Seine Bücher »Introduction to Cybernetics« (1956) und »Design for a brain« (1966) gelten als Schlüsselwerke zu den Wissenschaften von komplexen Systemen. Ashby hat mit seinen Wissenschaftskollegen Phytagoras, Heisenberg oder Newton gemein, dass ein Satz, eine Relation bzw. ein Gesetz seinen Namen trägt. Ashbys Law of Requisite Variety lautet in seiner populistischsten Formulierung: »Only variety can destroy variety« – Komplexität kann wirksam nur mit Komplexität begegnet werden. Oder noch stärker vereinfacht: »In einer komplexen Welt gibt es nur eine erfolgsversprechende Antwort: selber komplexer werden.«

Nun gibt es für den Sportdirektor unserer Fußballmannschaft zwei Strategien, mit Ashbys Gesetz umzugehen. Strategie 1: Die Erkenntnis, die dem Gesetz zugrunde liegt ignorieren bzw. heftigst leugnen. Das kann man übrigens auch mit dem Newtonschen Gesetz tun – nur die Folgen dürften schmerzhaft sein.

Strategie 2: Regeln tatsächlich wieder drastisch reduzieren und damit die Komplexität erhöhen (nennen Sie mich old-school, aber Blutgrätschen müssten meines Erachtens weiterhin geahndet werden). Oder noch besser: die Regeln weitestgehend durch Prinzipien ersetzen. Ein Prinzip für einen Angriffsspieler könnte z.B. heißen: »Der Stürmer ist immer auch der vorderste Abwehrspieler«. Damit kann ein intelligenter Spieler etwas anfangen (das Wort Intelligenz ist hier bitte nur auf das Spiel zu beziehen – nicht auf die Fähigkeit, nach Abpfiff sprachlich korrekte und inhaltlich gewichtige Interviews geben zu können). Das Prinzip gibt ihm Orientierung und lässt ihm eine immense Zahl von Handlungsoptionen offen. Außerdem beschränkt es das Zusammenspiel des Teams nicht, es sind also eine schier unendlich viele unterschiedliche Interaktionen zwischen den Spielern möglich. Und genau das fördert die Komplexität.

So. Danke Herr Ashby, ich glaube den Rest der Wegstrecke kann jeder alleine gehen.

 

Anmerkung: dieser Artikel erschien hier erstmals am 15. März 2013. Im April 2020 wurde er überarbeitet und neu veröffentlicht.


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  • Søren
    15. März 2013 at 15:36

    Lieber Lars,
    am besten gefällt mir:

    „Jeder Torschuss sowie die Torschussrichtung muss beim Schiedsrichter angemeldet werden. Mindestens 5 Minuten vorher. Der Torwart muss seinerseits vor dem Schuss festlegen, in welche Richtung er sich schmeißen wird.“

    Dein Artikel – ein herrlicher Start ins komplexe Wochenende – in welchem ich keiner Regel, stattdessen innigst meinen Prinzipien folgen werde (;-) Danke!
    Viele Grüße aus dem sonnigen Mittelhessen.
    Søren

  • C. Elsner
    15. März 2013 at 15:39

    Die Idee mit den Planquadraten ist eigentlich gar nicht so übel:
    – Wo kämen wir denn hin, wenn jeder rumlaufen könnte, wo er will? Die wollen doch alle nur Tore schießen. Da würde doch keiner mehr verteidigen!
    – Über die Anzahl Planquadrate, die jemand unter sich hat, kann man wunderschön Wertschätzung ausdrücken und Karrierepfade aufzeigen!
    – Es würde sicher bald hervorragende PQM-Tools, PQM-Berater usw. geben (PQM = PlanQuadratsManagement)
    – …

  • Tanja Föhr
    15. März 2013 at 17:54

    Wunderbarer Vergleich. Danke!
    Empfehle auch Dirk Baecker „Systemtheorie“. „..die Erhöhung der Komplexität ist eher die Lösung. …Zuzüglich Selbstregulation, Fehlerkultur und Selbstreflexion. “ http://www.flickr.com/photos/wissenstransfer/7588530068/in/photostream
    der Link führt zu einer Visualiserung zu einem Systhemtheorie Seminar an der Leibniz Uni Hannover.

    Freue mich auf weitere Beiträge 😉
    Tanja Föhr

  • Christina Grubendorfer
    15. März 2013 at 18:47

    Herrlich. Vielen Dank dafür. Werde das mal Fritz Simon weiterleiten, der mag solche Fußballmetaphern auch gerne.

  • Dr. Martin Bartonitz
    15. März 2013 at 23:33

    Danke Lars,
    das war die passende Lektüre und mit eine Schmunzeln zuerst schlafen zu gehen , und im Laufe der Woche zu schauen, dass ich eine Minifassung mit Link hierher vom Blog der Initiative WirtschaftsDemokratie lege.
    Mir gefiel besonders: (das Wort Intelligenz ist hier bitte nur auf das Spiel zu beziehen – nicht auf die Fähigkeit, nach Abpfiff sprachlich korrekte und inhaltlich gewichtige Interviews geben zu können)
    🙂 Martin

  • S. Soell
    16. März 2013 at 16:13

    Herrlich auf dem Punkt gebracht. Auch für nicht-Fußball-fans. Visualisiert sehr schön die Grenzen des sinnvoll Planbaren….
    Schönes Wochenende!

  • Ingo Körner
    19. März 2013 at 10:52

    Lieber Herr Dr. Vollmer,

    Tolle Analogie. Auf dem Reststück der Expedition fiel mir auf, welche Facette Sie nicht erwähnt haben: wer heute kleine Söhne hat wie ich, weiß, dass beim Fussball die eigene Komplexität in tausenden von Trainingseinheiten und einigen hundert Spielen erworben wird. Die Lernenden dürfen nicht zu langsam, zu dick, zu klein oder wenig wortgewandt sein. Sie müssen ehrgeizig sein und diszipliniert. Und das an jedem Tag ihrer Kindheit. Zumindest, wenn sie in einem der Nachwuchszentren der großen Vereine spielen und nach 13 Jahren gezielter Ausbildung einmal Profifussballer werden wollen.

    Ich denke, den Weg zurück in die Unternehmenswelt finden Sie allein. 🙂

    Beste Grüße

    Ingo Körner

    • Lars Vollmer
      30. März 2013 at 10:10

      Eine wichtige Facette, die Sie da ergänzen, lieber Herr Körner. Danke dafür.

      In Komplexität braucht es »Könner« (manche nennen es auch ›Talente‹). Wissen alleine reicht nicht aus – deswegen sind die meisten Schulungen auch nur Unternehmensfolklore.

      Ein Könner wird man nur – wie Sie zu recht schreiben – durch Ehrgeiz, diszilpinierte Übung und verdammt viele Fehler.

      Und das spannende, wie ich finde, ist das Phänomen, das wahre Könner gar nicht beschreiben können, was das Besondere ihres Könnens ist. Wenn man Podolski fragt, wie er den Ball am Torwart vorbeibekommen hat, sagt er wahrscheinlich nur »Ich hab‘ ihn halt reingemacht«. Nur die Quacksalber in der nachfolgenden Talkshow glauben dann die Gründe (i.s. von Kausalitäten) gefunden zu haben.

      Weiße Ostergrüße
      Lars Vollmer

      • Ingo Körner
        30. März 2013 at 11:17

        Lieber Herr Dr. Vollmer,

        Auch hier schneit es, so dass ich die weißen Ostergrüße direkt an Sie zurückgeben kann. 🙂

        Leider habe wir nun noch nicht diskutiert, wie wir aus einer heterogenen Gruppe von Ergebnissen des deutschen Bildungssystems dynamikrobuste Könner machen. Das geht wohl kaum durch die schiere Abschaffung von Regeln und einen aufmunternden Klaps „nun macht mal“.

        Fehlertoleranz, ok. Stetiges Üben ist denke ich im Unternehemnsalltag per se gegeben. Abet wie entfacht man den Ehrgeiz, der ja heute qua Primärsozialisation auf Freizeit und die goldene Rente fokussiert? Und noch viel spannender: wie geht man mit den Fehlerfolgekosten in der mühsamen Zeit der Transformation um?

        Analyse fein und gut. An alle Mitleser aber sei mein Wunsch gerichtet, mir ein paar Ideen für den Weg zu spenden, sonst bleibt das ganze Gedankenkonstrukt eine tolle Utopie…

        Beste Grüße

        Ingo Körner

  • Boeffi
    21. März 2013 at 10:27

    „Die einzige Möglichkeit, aus einem komplexen Spiel ein kompliziertes Spiel zu machen: Regeln hinzufügen.“

    ist eine willkommene Flanke an die Command-and-Control-Protagonisten 🙁

    CU
    Boeffi

  • Dieter Rösner
    21. März 2013 at 12:11

    Ich bin sspät dran, aber mein alltag ist halt komplex. Ein grßartiger Artikel in jeder Hinsicht. Er bestätigt mich ddarin die Fussball Metapher weiterhin mit Vergnügen la Trainer und Coach zu nutzen.

    Gruß Dieter

  • Harriet Modler
    21. März 2013 at 13:49

    Die „Komplexitätsfalle“ wirkt wie ein Defekt in der Automatisierungstechnik: Ist ein Teil funktionsuntüchtig, erliegt der Prozess.

    Ein herrlich guter Text, der Spielfreude auslöst. Diese Freude allerdings, nehme ich weder beim Fußball noch in anderen geschlossenen Systemen (Behörden, Verwaltungen, Vereinen) wahr. Die Komplexität hier wird abstrakt. Diese abstrakten Gebilde treffen selten auf Resonanz in menschlichen Hirnen. Der Teufel erfreut sich, wie immer, am Detail.

    Ansehnliches Fußballspiel ist erst möglich, wenn im o.g. Komplexitätskontext die Motivationsformel „Gehaltserhöhung“ integriert wird.

  • […] Lesen Sie dazu auch meine Kolumne vom 15. März 2013: Komplexität – Der Feind in meinem Unternehmen? […]

  • L. Girndt
    31. Juli 2015 at 19:20

    Hallo Herr Vollmer,

    durch eine freundliche Empfehlung habe ich Ihre Seite gerade entdeckt und diesen herrlichen Artikel gelesen. Vielen Dank! Geistreich, anschaulich, witzig. Mich hat es an ein Gespräch mit einer aus Frankreich stammenden Personalleiterin erinnert. Auf meine Frage nach den kulturellen Unterschieden ihrer internationalen Führungsriege antwortete sie sinngemäß: „Die Deutschen sind unglaublich prozessgläubig. Hauptsache man handelt prozesskonform, dann ist egal, ob das zum Ziel führt.“

    Ich freue mich auf mehr.
    L. Girndt

    • Lars Vollmer
      31. Juli 2015 at 22:01

      Besten Dank Frau Girndt für das überaus nette Feedback.

      Die Prozessgläubigkeit – im Übrigen – ist aus meiner Perspektive kein spezielles Phänomen der deutschen Kultur oder Managementlehre. Sie ist vielmehr weltumspannend und eher abhängig von der spezifischen Unternehmenskultur. Und insbesondere in Frankreich habe ich sie häufig beobachten können.

      Bestens
      Lars Vollmer

  • Tilo Schwarzbach
    7. Juli 2020 at 11:44

    Sehr geehrter Herr Vollmer,

    sehr interessanter Blog, den ich leider erst heute entdeckt habe.

    Ich glaube, „Komplexität“ muss man zunächst definieren. Es gibt ein aus meiner sehr wichtiges Buch zum Einfluss von Überkomplexität auf den Niedergang von Zivilisationen, Joseph Tainters „The Collapse of Complex Societies“. Der Gedankengang ist einfach zusammengefasst: wenn der Aufwand für eine Weiterentwicklung und schließlich für den Erhalt einer Zivilisation ein bestimmtes Level überschreitet, dann steht eine Zivilisation erst still oder kollabiert sogar aufgrund von „diminishing marginal returns“. Tainter führt dafür einige Beispiele an, u.a. das Römische Reich und die Kultur der Mayas.

    Ist es also nicht Komplexität per se, die schädlich ist, sondern Komplexität in den Strukturen und vor allem im Regelwerk? Auf Ihr Beispiel mit Fußball bezogen wäre das ein zunehmend durchreguliertes und kleinteiliger werdendes Regelwerk mit u.a. den von Ihnen angesprochenen Planquadraten. Das heißt, durch Überregulierung wird das Spiel vereinfacht, nicht aber das Regelwerk und die Kontrolle desselben: schließlich müssen ja entweder Schiedsrichter oder automatisierte Systeme überwachen, ob Toni Kroos seine Planquadrate verlässt oder nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Tilo Schwarzbach

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